LÖSUNGSFOKUSSIERT, SYSTEMISCH & KONSTRUKTIVISTISCH
Wie Menschen ihrer Umwelt begegnen und in ihr agieren, hängt maßgeblich von ihren Erfahrungen und Vorstellungen ab – es wird hier gern von „inneren Landkarten“ gesprochen. Neurobiologisch ist schon lange bekannt, dass sich jedes System selbst möglichst kohärent organisiert. D.h. aus Sicht des betrachteten Systems macht das Verhalten Sinn, auch wenn es teilweise ungünstig bis schädigend ist. Ein System wäre hier ein Mensch, ein Team oder ein ganzes Unternehmen.
Wenn sich ein System verändern möchte, d.h. die „Innere Landkarte für ein bestimmtes Thema“ soll geändert oder erweitert werden – dann hilft eine kognitive Erkenntnis oder ein Auftrag von außen allein manchmal nicht. Es braucht vielmehr eine Verknüpfung mit alternativen Handlungsoptionen und Emotionen zum „Update der inneren Landkarte“.
Systemische Strukturaufstellungen (SySt®) helfen dabei, die inneren Landkarten (oder Bilder) im Außen darzustellen, zu erkunden und zu verändern. Es können verschiedene Perspektiven eingenommen und Unterschiede körperlich erfahrbar gemacht werden. Sie sind eine Art Simulationsverfahren für ein System und ermöglichen einen „Vorgeschmack“ auf einen neuen Zustand. Damit wird ein Möglichkeitsraum für Transformation eröffnet, bei dem das gesamte System ausgerichtet wird auf einen ressourcenreicheren und verbesserten Zustand.
Das Ziel ist klar: innerlich besser aufgestellt sein, Klarheit gewinnen und Ideen für konkrete Handlungsoptionen erhalten.
Zur systemischen Beratung nach SySt® wurden viele Bücher geschrieben. Hier erfolgt der Versuch einer kurzen Einführung zu einem weiten Feld:
• Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd haben SySt® als systemisch-konstruktivistischen Ansatz entwickelt, der mit dem lösungsfokussierten Ansatz der Schule von Milwaukee (Kim Inso Berg & Steve de Shaser) verbunden und stetig weiterentwickelt wird. Es werden Erkenntnisse der Psychologie, Neurobiologie, Logik, Philosophie uvm. integriert.
• SySt® unterscheidet sich von anderen Formen der Aufstellungen durch ein umfangreiches, grammatisches Regelwerk und die lösungsfokussierte Haltung. SySt® wird als Interventionssystem und Sprache verstanden, mit deren Hilfe Systeme im Raum mit Personen dargestellt werden können.
• Wenn Personen als RepräsentantInnen genutzt werden, wird mit der repräsentierenden Wahrnehmung gearbeitet – eine Fähigkeit, die allen Menschen zur Verfügung steht, die aber oft nur unbewusst angewendet wird.
• Verschiedene SySt®-Aufstellungsformate (z.B. Tetralemma, 9-/12-Felder-Aufstellung) bieten individuelle Möglichkeiten, ein systemisches Gespräch durch transverbale Arbeit und Körperwahrnehmung zu ergänzen.
• Die Hauptaufgabe des Gastgebers ist es, für die aufstellende Person den Erkenntnisgewinn und Transfer in den Alltag zu ermöglichen. Bei sensiblen Themen oder Informationen ist selbstverständlich halbverdecktes oder komplett verdecktes/anonymes Arbeiten möglich.
• Besser aufgestellt sein auf der Basis von Erkenntnissen , Methoden & Formaten u.a. von Insa Sparrer & Prof. Matthias Varga von Kibed, Gunther Schmidt, Steve de Shazer, Milton Erickson, Virginia Satir.
Der Ablauf einer Aufstellung nach Syst®
Die folgende Darstellung soll eine Idee eines prototypischen Verlaufes geben. Der tatsächliche Ablauf einer Aufstellung nach Syst® erfolgt immer individuell.
#1 Lösungsfokussiertes Vorgespräch
• Dabei kann das Thema benannt werden oder halb verdeckt bzw. komplett verdeckt gearbeitet werden.
• Typische Fragen sind beispielsweise: Woran wirst du bemerken, dass du in Bezug auf das Thema einen Schritt vorangekommen bist? Wer könnte etwas dagegen haben, dass sich etwas bei dem genannten Thema in deinem Sinne ändert? Wem wärst du ähnlicher oder unähnlicher, wenn du deinem Ziel näher kommst/eine Entscheidung triffst/die Änderung eintritt?
#2 Vorschlag von Formaten und Elementen durch Gastgeber:in
• Es wird ein Fokus benannt, d.h. es geht nicht um Klient:in gesamt, sondern um den Teil von Klient:innen in Bezug auf das genannte Thema.
• Die Elemente sind meist im Vorgespräch benannte Aspekte, können aber auch abstrakte „Namen“ haben, z.B. „das, worum es auch noch geht“, „verdeckter Gewinn“, „die Verwirrung“ etc.
• Gastgeber:in schlägt ein oder mehrere Formate vor.
#3 Angeleitete Auswahl der Elemente in Form von Repräsentanten oder Symbolen
#4 Angeleitete Aufstellung der Elemente, d.h. Klient:in stellt Elemente zu einem 1. Bild im Raum auf (Externalisierung eines inneren Bildes) und anschließend beobachtet Klient:in den Aufstellungs-Prozess von außen
#5 Strukturierte Befragung der Elemente durch Gastgeber:in mit Fokus auf Unterschiede in der Körperwahrnehmung, z.B. Stabilität, Atmung, Ausrichtung, Blickfeld, Kribbeln, etc.
#6 Prozessarbeit: Interventionen oder Tests mit anschließender neuer Befragung der Elemente bis eine Verbesserung im Sinne der im Vorgespräch erarbeiteten Lösung deutlich wird
#7 Wechsel von Klient:in an Position des Fokus und Verbindung/Internalisierung mit ressourcenvollerem neuen Bild
#8 Probehandeln in dem eigenen Aufstellungsbild und Wahrnehmung von körperlichen Unterschieden
#9 Integration des Abschlussbildes und Verbindung mit dem, was hilfreich ist
#10 Nachbesprechung, inkl. Nachfragen zum Verständnis, zur Vorgehensweise oder zur repräsentierenden Wahrnehmung
Das Ziel ist klar: innerlich besser aufgestellt sein, Klarheit gewinnen und Ideen für konkrete Handlungsoptionen erhalten.
„Mit Hilfe dieser vorwiegend nichtsprachlichen Methode können wir lernen, die sprachlichen „Gebäude“ zu betrachten, mit denen Menschen in ihren sozialen Systemen miteinander das „gebaut“ haben, was ihnen anschließend als scheinbar objektive Wirklichkeit begegnet.“
Arist von Schlippe